Unbedingte Solidarität
Beschreibung
Solidarität ist die Herausforderung der Stunde. Von allen Seiten wird eine »Gesellschaft der Singularitäten« (Reckwitz) beklagt, die nicht alleine durch neoliberale Entsolidarisierungsprozesse und die Erosion von Solidargemeinschaften entsteht, sondern sich auch in einer Fragmentierung linker sozialer Bewegungen niederschlägt. Die entscheidende Frage ist also, ob Solidarität auch ohne geteilte Erfahrungen möglich ist, womöglich sogar ohne gemeinsame Interessen. Gibt es ein solidarisches Miteinander trotz zahlreicher Gegensätze und struktureller Hierarchien, das keine paternalistische Parteinahme ist, sondern auf einer »groundless solidarity« (Diane Elam) fußt? Wie kann eine radikale Solidarität unter Ungleichen aussehen, die geradezu auf Differenzen basiert? Eine Solidarität der Differenz, wie wir sie verstehen, vermeidet nicht nur die Fallstricke exklusiver Solidaritätsmodelle, sondern ist angesichts gegenwärtiger Herausforderungen eine praktisch-politische Notwendigkeit.
Obwohl er selbst solidarische Zugehörigkeitsnarrative bedient, ist der globale Aufstieg des rechten Nationalismus auch als Gegenbewegung zu solidarischen Modellen von Gesellschaft zu begreifen.
Trotz dieser Entwicklungen sind in den letzten Jahren vielfältige neue Formen nicht-institutionalisierter Solidarität entstanden: die spontane Hilfe für Refugees im »Sommer der Migration« 2015, die Seenotrettung von Sea Watch, solidarischer Handel oder das Netzwerk solidarischer Städte – um nur einige Beispiele zu nennen.
Der Sammelband bietet Einblicke in die theoretischen Debatten und diskutiert Beispiele praktizierter Solidarität. Darüber hinaus ist er ein dringliches Plädoyer für mehr Solidarität.
Autor*innen
Lea Susemichel (*1976) studierte Philosophie und Gender Studies in Wien. Als Journalistin, Lehrbeauftragte und Vortragende arbeitet sie zu den Themen feministische Theorie & Bewegung und feministische Medienarbeit. Seit 2006 ist sie leitende Redakteurin der an.schläge. Sie hat zwei Kinder.
Jens Kastner (*1970), Dr. phil., ist Soziologe und Kunsthistoriker und lebt in Wien. Er ist Senior Lecturer am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien und schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften über zeitgenössische Kunst, soziale Bewegungen und Kulturtheorien. Er hat zwei Kinder.
jenskastner.de
Bini Adamczak, 1979, arbeitet als freie (lies: prekäre) Autorin und Künstlerin in Berlin. 2004 erschien Kommunismus. Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird, dessen englische Übersetzung 2017 einen antikommunistischen Shitstorm in der US-Rechten auslöste. 2007 veröffentlichte sie Gestern Morgen. Über die Einsamkeit kommunistische Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft. 2017 folgten Der schönste Tag im Leben des Alexander Berkman. Vom möglichen Gelingen der Russischen Revolution sowie Beziehungsweise Revolution, 1917, 1968 und kommende. Bini Adamczak ist Mitglied der ›jour fixe initiative berlin‹.
Stefanie Kron, georen 1968 in Lohr am Main, studierte Literatur - und Medienwissenschaften, Politikwissenschaft und Spanisch in Berlin und Marburg. Bis 1994 Arbeit in der Fantifa-Marburg, ab 1994 Redakteurin bei der alternativen Stadt- und Unizeitung Marburg Virus. Lebt mittlerweile wieder in Berlin.
Paul Buckermann lehrte Soziologie an der Universität Bielefeld und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am ›Graduiertenkolleg Automatismen‹ an der Universität Paderborn. Heute ist er wissenschaftlicher Assistent an der Universität Luzern.
Dr. Alexander Behr, geboren 1979, ist Politikwissenschaftler, Übersetzer, Journalist und Universitätslektor. Seine Dissertation verfasste er zum Thema: »Landwirtschaft – Migration – Supermärkte. Ausbeutung und Widerstand entlang der Wertschöpfungskette von Obst und Gemüse«. Neben der Lehrtätigkeit ist er Aktivist im Netzwerk ›Afrique Europe Interact‹. Er gestaltet regelmäßig Radiobeiträge für Ö1 (Journal Panorama, Europajournal) und schreibt für ORF.at, ND, taz, der Standard und andere. Zuletzt Übersetzung und Herausgabe des Buches »Mein Weg vom Kongo nach Europa« (Emmanuel Mbolela, Mandelbaum-Verlag 2014).
Friederike Habermann ist Aktivistin und freie Akademikerin, zudem Ökonomin, Historikerin und Dr. phil. der politischen Wissenschaft. Ihr Interesse als Autorin gilt dem Verwobensein von Ökonomie und Herrschaftsverhältnissen, emanzipatorischen globalen Bewegungen sowie nichtkapitalistischem Wirtschaften. Sie ist Autorin von »Geschichte wird gemacht. Etappen des globalen Widerstands«, Laika, Hamburg 2014, »Ecommony. UmCare zum Miteinander«, Hrsg. Stiftung Fraueninitiative, Helmer, Sulzbach 2016 und »Ausgetauscht! Warum gutes Leben für alle tauschlogikfrei sein muss«, Hrsg. Stiftung Fraueninitiative, Ulrike Helmer-Verlag 2018.
Silke van Dyk (Prof. Dr.) lehrt Politische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Soziologie des Alters und der Demografie, Soziologie der Sozialpolitik, Politische Soziologie und Diskursforschung. Sie veröffentlichte u.a. »Soziologie des Alters« (in der Reihe: Einsichten. Themen der Soziologie), transcript 2015, und »Leben im Ruhestand. Zur Neuverhandlung des Alters in der Aktivgesellschaft«, transcript 2014 (mit Tina Denninger, Stephan Lessenich und Anna Richter).
Jana Günther hat studiert und promoviert an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie ist Redakteurin und Mitherausgeberin der Zeitschrift ›Femina Politica‹. Praktisch tätig ist sie in der sozialen Arbeit, der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und in der Interessenvertretung. Beruflich ist sie als Vertretungsprofessorin für soziologische Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Hochschule Darmstadt tätig. Sie ist Autorin von »Fragile Solidaritäten: Klasse und Geschlecht in der britischen und deutschen Frauenbewegung«, Marta Press 2019.
Stephan Lessenich, 1965 geboren, lehrt am Institut für Soziologie der LMU München und ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Von ihm erschienen zahlreiche Publikationen, u.a. mit Hartmut Rosa und Klaus Dörre: »Soziologie – Kapitalismus – Kritik: Eine Debatte«, Suhrkamp 2009, »Theorien des Sozialstaats zur Einführung«, Junius 2012, »Stephan Lessenich zu Paul Lafargue: Das Recht auf Faulheit«, Laika Verlag, »Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis«, Hanser 2016, »Grenzen der Demokratie. Teilhabe als Verteilungsproblem«, Reclam 2019.
Serhat Karakayali (Dr. phil.) hat in Frankfurt am Main Soziologie, Politikwissenschaften und Philosophie studiert und ist Mitglied des Forschungsnetzwerks ›Transit Migration‹. Seine Schwerpunkte sind Politische Soziologie der Migration, Geschichte und Gegenwart illegaler Einwanderung, Praktiken und Medien der Solidarität in der Migrationsgesellschaft, Transformation von Integrationspolitiken, Zivilgesellschaft, Gewerkschaft. Er hat zahlreiche Artikel veröffentlicht, zuletzt »The Volatility of the Discourse on Refugees in Germany« (mit Bastian Vollmer, 2017) und »Feeling the Scope of Solidarity: The Role of Emotions for Volunteers Supporting Refugees in Germany« (2017).
Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Obfrau des eipcp und Aktivistin des Refugee Protest Camps Vienna. In ihrer Forschungstätigkeit und ihrer politischen Arbeit beschäftigt sie sich mit europäischer Demokratie, Migration und Kulturpolitik. Sie ist Autorin von »Solidarität als Übersetzung. Überlegungen zum Refugee Protest Camp Vienna« (transversal 2015) und »Postmarxistisches Staatsverständnis« (mit Bruell) (Nomos 2018).
Ceren Türkmen, geboren 1980, Soziologin, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Gießen. Sie ist Mitglied der ›Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung‹ (AkG), Autorin von »Migration und Regulierung«, Münster 2008 (Verlag Westfälisches Dampfboot) und aktiv in der politischen Sound-Art-Gruppe Ultra-red, die aktuell mit der Mietergemeinschaft ›Kotti & Co‹ zum Zusammenleben und Protestieren in Berlin arbeiten.
Peggy Piesche, geboren und aufgewachsen in der DDR, ist eine Schwarze deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und transkulturelle Trainerin für Intersektionalität, Diversität-Inklusion, Rassismus- und Machtkritik sowie für kritische Weißseinsreflexion in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Seit 1990 ist sie in der Schwarzen feministischen Bewegung in Deutschland und international aktiv. Sie u.a. (Mit-)Herausgeberin von »›Euer Schweigen schützt Euch nicht‹: Audre Lorde und die Schwarze Frauenbewegung in Deutschland«, Orlanda-Frauenverlag (2012) und »Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland«, Unrast (2009).
Torsten Bewernitz, geboren 1975, Dr. phil., Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Deutschen Philologie und Philosophie an der Universität Münster, Promotion 2010. Seit 2015 tätig für eine große deutsche Industriegewerkschaft. Forschungsschwerpunkte: Friedens- und Konfliktforschung, Streik- und Gewerkschaftsforschung, Geschlechterforschung, globale Ökonomie. Er ist u.a. Autor von (Hrsg.): »Die neuen Streiks«, Unrast, Münster 2008, »Kleine Geschichte der Krisenrevolten. Ein schwarz-roter Leitfaden«, Unrast 2014, »Nothing in common? Differänzen in der Klasse«, Edition Assemblage 2015.
Sabine Hark ist Soziolog*in, Professor*in für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin und wissenschaftliche Leiter*in des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU. Sabine Hark ist Mitgründer*in von WIR MACHEN DAS: wirmachendas.jetzt
Rahel Jaeggi, geboren 1967, ist eine deutsche Philosophin. Sie ist Professorin für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt in den Bereichen der Sozial- und Rechtsphilosophie sowie der politischen Philosophie, der philosophischen Ethik, Anthropologie und Sozialontologie. Sie ist Autorin von u.a. »Kritik von Lebensformen«, Suhrkamp 2013. Zuletzt veröffentlichte sie mit Nancy Fraser zusammen »Kapitalismus. Ein Gespräch über kritische Theorie« (Suhrkamp 2020).
Margarita Tsomou ist griechische Autorin zahlreicher Artikel, Verlegerin, Dramaturgin und Kuratorin. Sie gibt das pop-feministische ›Missy Magazine‹ heraus und schreibt für deutsche Zeitungen und Radio. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten kooperiert sie mit Institutionen wie Hebbel am Ufer, Volksbühne Berlin, Haus der Kulturen der Welt, Heinrich-Böll-Stiftung, Münchener Kammerspiele, Onassis Cultural Foundation Athen u.a. Ihr jüngstes Projekt war die Kuration einer Veranstaltungsreihe im diskursiven Programm von Paul B. Preciado der documenta 14. Sie gehört dem Verlagskollektiv b_books und der künstlerischen Aktivistinnengruppe Schwabinggrad Ballett an.
Brigitte Bargetz ist seit 2013 Universitätsassistentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Mitherausgeberin der feministischen politikwissenschaftlichen Zeitschrift ›Femina Politica‹. Ihre Dissertation zu einer kritischen Theorie des Alltags wurde mit dem Award of Excellence (2011) ausgezeichnet. In ihrem Habilitationsprojekt »Eine politische Grammatik der Gefühle« beschäftigt sie sich mit Demokratietheorie, Debatten zum ›affective‹ und ›material turn‹ sowie feministischen, queeren und postkolonialen Ansätzen zu Politik und Gefühl. Sie ist Autorin von »Ambivalenzen des Alltags. Neuorientierungen für eine Theorie des Politischen« (transcript 2016).
Alexandra Scheele, Dr. phil., geb. 1969, M.A., studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Medienwissenschaften und ist derzeit akademische Mitarbeiterin an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus. Projektarbeit und Lehrtätigkeiten im Bereich Arbeits- und Geschlechtersoziologie, feministische Politikwissenschaft und Methodologie. Sie ist u.a. Mitherausgeberin von »In Arbeit: Emanzipation« (Dampfboot 2014) sowie »Feminismus: Kritik und Intervention« (Dampfboot 2009).
Silke Schneider studierte Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Sie ist seit 1999 Mitherausgeberin der ›Femina Politica‹. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft. Seit 2013 ist sie wissenschaftliche Online-Tutorin im Lehrgebiet »Politikwissenschaft I: Staat und Regieren« der Fernuniversität in Hagen. Gemeinsam haben Brigitte Bargetz, Alexandra Scheele und Silke Schneider ein Sonderheft der ›Femina Politica‹ zum Schwerpunkt »Umkämpfte Solidaritäten« herausgegeben (2019).
Cara Röhner ist Juristin und Politikwissenschaftlerin. Sie wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main promoviert. Sie ist Autorin von »Ungleichheit und Verfassung. Vorschlag für eine relationale Rechtsanalyse« (Velbrück 2019).
Prof. Dr. Birgit Sauer, 1957 geboren, ist seit 2006 Universitätsprofessorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien mit dem Schwerpunkt Gender und Governance. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Politik und Kultur, Politische Rituale und Symbolik, Politik der Geschlechterverhältnisse sowie Staats- und Institutionentheorien. Zu ihren zahlreichen Veröffentlichungen zählen neben anderen »Die Asche des Souveräns. Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte« (Campus, 2001) und »Geschlecht und Politik. Institutionelle Verhältnisse, Verhinderungen und Chancen« (wvb, 2005).